Heute begehen wir den Gedenktag des heiligen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo, welcher in unserem Orden als Hochfest gefeiert wird, weil Augustinus unser sogenannter Regelvater ist, das heißt, weil wir (auch) nach der von ihm verfassten Ordensregel leben. In der Antike gab es eine Vielzahl von Ordens- und Klosterregeln; teilweise hatte jede Gemeinschaft ihre eigene, die nur für sie galt. Es gab aber einige Mönchsregeln, die besonders gelungen waren und sich als hilfreicher für die Gestaltung eines des gottgeweihten Lebens erwiesen als andere und die daher von mehreren Klöstern und Gemeinschaften übernommen wurden, so zum Beispiel die Regel des heiligen Pachomius, die des heiligen Basilius des Großen, die des heiligen Kolumban von Luxeuil, die des heiligen Benedikt von Nursia oder eben die des heiligen Augustinus von Hippo.
Aufgrund von Canon 13 des Vierten Laterankonzils 1215 war es dann gar nicht mehr erlaubt, nach einer völlig neuen Regel zu leben, sondern ein neuer Orden musste auf eine bestehende Regel zurückgreifen und konnte diese lediglich durch sogenannte „Konstitutionen“ ergänzen. Auch die Erlöserregel, nach der unser Erlöserorden lebt, ist daher strenggenommen lediglich eine Konstitution. Zwar ist im 26. Kapitel der Erlöserregel verfügt, dass Zusätze zu dieser von einigen frommen Brüdern von den Regeln Benedikts oder Bernhards – dieser war eine der maßgeblichen Gründergestalten des Zisterzienserordens, eines Reformzweiges des Benediktinerordens, zu welchem Birgitta eine besondere Nähe hatte, weil ihr Ehemann Ulf und ihr Sohn Bengt im Zisterzienserkloster Alvastra lebten – verfasst werden sollten, wenn die Regel durch den Papst bestätigt sein würde, aber Papst Urban VIII. fand, als er die Erlöserregel approbierte, dass diese am meisten dem Geist der Augustinerregel entspreche, und ordnete daher an, dass der von der heiligen Birgitta gegründete Orden die Augustinerregel zu übernehmen habe.
Wie bei der zweiten der beiden bedeutendsten Ordensregeln des Westens, nämlich der Benediktinerregel, das Motto „ora et labora“, „bete und arbeite“ als der prägende Grundsatz gilt, der den Geist und die Zielsetzung der Regel zusammenfasst, so gilt bei der Augustinerregel die Liebe als das Prinzip, an dem sich alles ausrichtet. Das kommt bereits in dem ersten Satz der Ordensregel zum Ausdruck: „Vor allen Dingen, liebe Brüder (bzw. bei Ordensfrauen: Schwestern), sollt ihr Gott lieben, sodann den Nächsten; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind.“
Auch der Grundsatz „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“, also: „im Notwendigen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit und in allem Liebe“ soll auf ihn zurückgehen. Die Aufgaben eines Bischofs charakterisierte er in einer Predigt wie folgt: „Corripiendi sunt inquieti, pusillanimes consolandi, infirmi suscipiendi, contradicentes redarguendi, insidiantes cavendi, imperiti docendi, desidiosi excitandi, contentiosi cohibendi, superbientes reprimendi, desperantes erigendi, litigantes pacandi, inopes adiuvandi, oppressi liberandi, boni approbandi, mali tolerandi, omnes amandi.“ – „Unruhestifter zurechtweisen, Kleinmütige trösten, sich der Schwachen annehmen, Gegner widerlegen, sich vor Nachstellern hüten, Unwissende belehren, Träge wachrütteln, Händelsuchende zurückhalten, Eingebildeten den rechten Platz anweisen, Verzweifelnde aufrichten, Streitende besänftigen, Armen helfen, Unterdrückte befreien, Gute ermutigen, Böse ertragen, alle lieben!“ (Sermo 340)
Ebenso stammt von ihm die Maxime, dass die Liebe Grundlage aller Handlungen sein müsse: „Semel ergo breve praeceptum tibi praecipitur: Dilige, et quod vis fac: sive taceas, dilectione taceas; sive clames, dilectione clames; sive emendes, dilectione emendes; sive parcas, dilectione parcas: radix sit intus dilectionis, non potest de ista radice nisi bonum existere.“ – „Ein für allemal also wird dir ein kurzes Gebot aufgestellt: Liebe, und was du willst, das tue: wenn Du schweigst, schweige aus Liebe, wenn Du rufst, rufe aus Liebe, wenn Du zurechtweist, weise aus Liebe zurecht, wenn Du schonst, schone aus Liebe; die Wurzel der Liebe sei darin, aus dieser Wurzel kann nichts als Gutes entstehen.“ (Kommentar zum Ersten Johannesbrief, 7. Traktat) Er wird daher auf Bildern gerne mit einem flammenden Herzen in der Hand dargestellt.
Dabei war Augustinus alles andere als abgehobener Schwarmgeist. Zwar beschäftigte er sich in seiner Jugend und seinen frühen Erwachsenenjahren mit allerlei esoterischen Lehren, war dabei aber stets von der Suche nach der Wahrheit und dem Streben nach Erkenntnis motiviert. Bevor er sich zum christlichen Glauben bekehrte, in der Osternacht des Jahres 387 gemeinsam mit seinem unehelichen Sohn Adeodatus getauft wurde und danach mit einigen Gefährten in klösterlicher Gemeinschaft lebte, wirkte er als Rhetor, der Mandanten vor Gericht verteidigte, sogar vor dem Kaiser auftrat und Schüler unterrichtete, jahrelang im Licht der Öffentlichkeit.

Die Zeichnung zeigt die berühmte Szene, in der Augustinus einen am Strand spielenden Knaben sieht, der das Meer in ein kleines Loch im Sand schöpfen möchte. Auf seinen Hinweis, dass dies unmöglich sei, entgegnet das Kind: „Das ist gewiss eher möglich, als dass du das Geheimnis der Dreifaltigkeit in deinem Buch auszuschöpfen vermagst.“
Auch nach seiner Wahl zum Bischof der Stadt Hippo Regius in Nordafrika rund ein Jahrzehnt später hatte er wieder viele öffentliche Verpflichtungen, sodass er nicht mehr wie vordem in der Zurückgezogenheit des sogenannten „Gartenklosters“ leben konnte, sondern ein neues sogenanntes „Klerikerkloster“ im Bischofshof gründete. Trotz seiner vielfältigen Amtsaufgaben als Bischof, arbeitete Augustinus daneben noch wissenschaftlich als Theologe und verfasste eine Vielzahl brillanter dogmatischer, exegetischer und homiletischer Schriften, welche ihm den Titel eines Kirchenlehrers einbrachten. So ist er uns ein Vorbild nicht nur in der Suche nach liebender Vereinigung mit Gott, sondern auch im Streben danach, sich dem Geheimnis Gottes mit dem Verstand anzunähern.
Weiterführende Informationen zu der vom heiligen Augustinus begründeten Form des Ordenslebens bietet die Abhandlung „Das Mönchtum des heiligen Augustinus“ von Adolar Zumkeller.